Text: Dr. Elke Backes
Der Impuls oder besser gesagt, das unbeschreibliche Verlangen, dieses Kunst-Festival besuchen zu wollen, überkam mich in New York. Gestresst von der Hektik der Stadt, in einem stickigen, düsteren Hotelzimmer gegenüber einer lärmenden Baustelle, durchforstete ich die aktuellen News in meinem Instagram-Account und blieb an folgendem Bild wie gefesselt hängen: Andrea von Goetz mit nackten Füßen auf einer satt grünen Wiese vor einem glasklaren Bachlauf sitzend, der Himmel in einem unwirklichen Blau, dazu Grüße und die Einladung zum Festival sommer.frische.kunst. in Bad Gastein im Salzburger Land.
Auch wenn alle New York Liebhaber nun aufschreien: Ich wollte genau dort in genau derselben Minute sein!
Vor wenigen Wochen war es endlich soweit. Kontrastprogramm: Das Zimmer im Hotel Regina liebevoll eingerichtet, atemberaubend der Blick auf das Bergpanorama in 1000 m Höhe, frische Luft, und der Grundton hier stammt vom tosenden Geräusch des Wasserfalls, der inmitten des Ortes aus den Hohen Tauern stürzt. Und dazu noch ein fantastisches Kunstprogramm. Yes!
Top-Bedingungen für meine Sommerstory …
Impressionen von Bad Gastein, o.l.: der Blick aus dem Zimmer im Hotel Regina, r. Panorama auf der Kaiser-Wilhelm-Promenade.
Feierlich eröffnet wird das Festival mit den von Andrea von Goetz kuratierten Einzelausstellungen auf der Kunstmeile der Kaiser-Wilhelm-Promenade. Retro-Charme pur! Barbara Probst bespielt den historischen Pavillon, Ulrike Theusner das ehemalige Kurhotel Astoria und Xenia Lesniewski den Ike-Room (hierzu erscheint noch ein separater Art Dialog). Auf sehr unterschiedliche Art und Weise interagieren die Ausstellungen mit der jeweiligen Architektur und reagieren damit auf die besondere Stimmung von Bad Gastein. „Geheimnisvoll“, „morbide“ oder „magisch“, ist immer wieder zu hören. Begriffe der Stimmung, die die Historie des Ortes spiegelt.
Impressionen des Eröffnungsabends: o.l.: Barbara Probst, u.l.: Ulrike Theusner, m.: Urlike Theusner, o.r.: Andrea von Goetz vor Barbara Probst, u.r.: Xenia Lesniewski (Fotos: ©Hannes Wichmann).
Als ehemaligem Kaiser- und Kurort noch zur Jahrhundertwende und späterem Lieblingsort des Jetsets waren es – neben der spektakulären Natur – vor allem die eleganten Belle Époque-Bauten, die das Bild Bad Gasteins geprägt hatten und glücklicherweise sukzessive wieder prägen. Zwischenzeitlich schien aller Glanz verloren. Viele der Gebäude waren baufällig; das Stadtbild von der Tristesse des Leerstands geprägt. Der Initiative und den Investitionen von Akteuren wie Hotelier Olaf Krohne oder Architekt Ike Ikrath ist es zu verdanken, dass in den letzten zwölf Jahren eine Auferstehung an- und vorangetrieben werden konnte, zu der auch maßgeblich das leidenschaftliche Engagement für das Festival sommer.frische.kunst. von Andrea von Goetz beiträgt.
Das Festival, mit dem sie 2011 ein Artist in Residence-Programm mit stetig steigender Wirkkraft innerhalb der zeitgenössischen Kunstszene ins Leben rief, präsentiert sich in diesem Jahr mit gleich drei Premieren neu: Der Kunstmesse Art:Bad Gastein, den Ausstellungen der Masterclasses (beide im historischen Wasserkraftwerk) sowie den Installationen von eigens für den Ort geschaffenen Außenskulpturen in Sportgastein, dem Hochplateau am Talabschluss. All das findet über den Zeitraum von sechs Wochen statt.
Ein Programm mit enormem Organisationsaufwand, das Andrea von Goetz neben ihrer Tätigkeit als Kunstberaterin mit eigenem Gallery-Space (Collectors Room Hamburg), gemeinsam mit einem kleinen Team und der Unterstützung des Tourismusverbandes Bad Gastein auf die Beine stellte. Was treibt den Gedanken des „Think Big“ kontinuierlich voran? Im Astoria sprechen wir über die Hintergründe.
Im Gespräch mit Andrea von Goetz im ehemaligen Kurhotel Astoria (Fotos: ©Hannes Wichmann).
E.B.: Beginnen wir doch mit der Frage, was dich überhaupt nach Bad Gastein geführt und den Start von sommer.frische.kunst. begründet hat?
Von Goetz: Auslöser war ein Familienbesuch, der uns 2007 erstmals an diesen Ort geführt hatte. Bei der Erkundung der Umgebung entdeckten wir im Museumsdorf ein altes Haus, das wir dann kauften und über drei Jahre sanierten. In dieser Zeit hörte ich das erste Mal von sommer.frische.kunst., das 2010 von einigen engagierten Hoteliers und der jungen Kurdirektorin des Tourismusverbandes, Doris Höhenwarter gegründet worden war. Idee war es, die Kunst, die immer ein wichtiger Teil Bad Gasteins war, wieder in den Ort zu holen und gleichzeitig dem Leerstand entgegenzuwirken. Der Rahmen war geschaffen, doch es fehlte der Inhalt. Mir war in diesem Zusammenhang das Kraftwerk ins Auge gefallen, das sich seinerzeit noch im Dornröschenschlaf befand. Warum nicht versuchen, genau dieses Gebäude mit kreativem Leben zu füllen? Mit dem konkreten Vorschlag KünstlerInnen dazu einzuladen, über den gesamten Sommer, fernab des Alltags, allen Nebenjobs und Art-Handlings die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Ort künstlerisch auseinanderzusetzen, bin ich los, bekam die erhoffte Unterstützung und begann 2011 mit meinem Artist in Residence-Programm. Der Tourismusverband ist seitdem und konstant der größte Sponsor des Festivals, das sich als eines der wesentlichen Produkte für die Tourismusförderung etabliert hat. Dass es uns in dieser Zeit gelungen ist, das Kraftwerk instand zu setzen, macht uns alle sehr glücklich. Und damit es ebenso erfolgreich weitergehen kann und wir wirklich ALLE Kräfte bündeln können, gibt es seit wenigen Tagen auch noch den Kunstverein sommer.frische.kunst., den ich gemeinsam mit Ike Ikrath gegründet habe.
E.B.: War für dich schon früh klar, dass dein als Artist in Residence-Programm gestartetes Projekt solche Ausmaße annehmen sollte?
Installationen in Sportgastein, o.l.: Olaf Holzapfel(©Florian Kolmer), o.r.: Kazunori Kura; u.l. u. m.: Performance von Noriko Mazda Kura am Wasserfall, u.r.: Eröffnung der Messe Art:Bad Gastein im Kraftwerk (Fotos: ©Hannes Wichmann).
Von Goetz: Das gesamte Projekt ist organisch gewachsen. Klar war für mich von Beginn an, dass, wenn ich etwas eigenes Großes machen würde, immer die Künstlerförderung im Mittelpunkt stehen sollte. Dass sich aus dem romantischen Gedanken des Künstlerdorfs, der mir immer im Kopf herumschwirrte, über die Jahre ein Event dieses Ausmaßes und Organisationsaufwandes entwickeln würde, hatte ich weder geplant noch erwartet.
E.B.: Warum nun die Messe Art:Bad Gastein?
Installationsansichten der Messe Art:Bad Gastein: o.l.: Galerie Feldbusch/Wiesner/Rudolph (Berlin), m.l.: Installationsansicht des Flures im 2. OG, u.l.: Galerie Carolyn Heinz (Hamburg), o.r.: Anna Jill Lüpertz (Berlin), u.r.: Van Horn (Düsseldorf), Fotos: (©Hannes Wichmann).
Von Goetz: Ich fand die Idee einer kleinen, feinen Messe reizvoll, deren Besuch mit einem Urlaub verbunden werden kann und man wieder Zeit hat über Kunst zu sprechen. Darüber hinaus hoffen wir über das erweiterte Netzwerk auch neue Besucher erreichen und für das Festival und sein Gesamtprogramm begeistern zu können. Das gilt übrigens auch für die Idee der Masterclasses, einer Abwandlung des ursprünglichen Residence-Programms.
E.B.: Was genau passiert bei den Masterclasses?
Von Goetz: Ebenfalls im Kraftwerk werden Werke von und mit jungen Studierenden aus den Meisterklassen von Jorinde Voigt (HFBK Hamburg), Anselm Reyle (HFBK Hamburg) und Christian Schwarzwald (Akademie der bildenden Künste Wien) mit einem Schwerpunkt der Förderung aufstrebender Talente präsentiert. Alle drei waren schon einmal mit Ausstellungen auf der Kaiser-Wilhelm-Promenade vertreten, kennen daher die Bedingungen vor Ort sehr gut und konnten so die Studierenden auf ihre Aufgabe vorbereiten. So war es für die teilnehmenden KünstlerInnen möglich, in ihren jeweiligen Ateliers, ohne vorherige Anreise, ihre Arbeiten zu entwickeln.
Impressionen des Eröffnungsabends der Masterclasses: o.l.: Gertraud Koeck, o.r.: Max Weiss, m.l.: Sohhon Lee, m.r.: Kater D., u.l.: Zixu Wang, u.r.: Paula Hoffmann (Fotos: ©Florian Kolmer).
E.B.: Hand aufs Herz: Sehnst du dich bei allem Erfolg auch manchmal zurück an die Anfänge?
Von Goetz: Den Erfolg des Festivals betrachte ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Früher war alles unkomplizierter. Ich musste nicht zum Steuerberater, musste keine Fördermittel beantragen, musste keine Politik betreiben. Ich saß einfach mit meinen sieben KünstlerInnen im Kraftwerk, ging wandern und musste nur überlegen, wie die Ausstellung zum Abschluss besonders klasse wird. Manchmal denke ich, dass ich mich auf ein Level gerückt habe, in dem ich viel weniger das machen kann, was ich am liebsten mache und gut kann, nämlich KünstlerInnen aussuchen und über Kunst sprechen. Doch verpufft dieser Gedanke in dem Moment, wenn alle einströmen und jedes Jahr immer wieder aufs Neue ein fantastischer Austausch über zeitgenössische Kunst stattfindet [strahlt].
Andrea von Goetz
Zwischenzeitlich wurde schon resümiert und überlegt, wie es nächstes Jahr weitergehen wird. Und so viel sei verraten: Die Messe Art:Bad Gastein wird fortgesetzt, das Artist in Residence-Programm gibt es wieder in alter Form – und was mich und die Planung meines Sommers 2023 betrifft – na was wohl? Ich bin natürlich wieder dabei!