Fotos: Karl Rogers
Kapstadt. Nichtsahnend, dass es sich bei der THK Gallery um einen erst vor acht Monaten gegründeten Ausstellungsort ausgerechnet eines Kölners – also ebenso wie ich aus dem Rheinland – handelt, führt mich zunächst das Cover des aktuellen first-thursdays-cape town* tour guides auf die Waterkant Street und damit zu Frank Schönau und der Künstlerin, die jenes Cover mit ihrem Selbstporträt ziert. Es ist die erste Soloausstellung der 27-jährigen Anke Loots, langjährige persönliche und fotografische Assistentin des Fotokünstlers Pieter Hugo, mit dem ich – Zufall? – am Ende der Woche ebenfalls verabredet bin.
Bild links: Frank Schönau, Bild rechts: Tour guide. *Jeden ersten Donnerstag im Monat sind die Galerien in der Innenstadt von Kapstadt bis spät in den Abend hinein geöffnet und laden zum Rundgang ein.
Ich komme in den Genuss einer Exklusivführung. Der erste flüchtige Blick auf die Fotografien der Ausstellung lässt erkennen, dass hier nicht eine einzelne Kategorie der Fotografie den Schwerpunkt bildet, sondern sich neben Porträts ebenso Stillleben und Landschaftsaufnahmen finden. Die Bildsprache ist insgesamt sehr klar und reduziert. Alle Motive umwehen etwas Zartes, Poetisches. Etwas Weibliches. Ein inhaltlicher Zusammenhang erschließt sich mir aber zunächst noch nicht. Die Ausstellung wirkt wie eine zufällige Auswahl schöner Bilder. Doch es gibt eine gemeinsame Aussage, wie mir Anke im Verlauf unseres Rundgangs erklären wird.
„Alle Arbeiten sind in den letzten vier Jahren, vielfach auf meinen Reisen mit Pieter entstanden. Ob Fotoproduktionen oder Vorbereitungen für Museums- und Galerieausstellungen, meine Kamera und ich waren immer dabei. Entsprechend hatte sich ein enormes Konvolut angesammelt. Für diese Ausstellung habe ich zunächst einmal das gesamte Material zu Videos zusammengestellt und dann sukzessive eine Auswahl getroffen. Hierbei war es mir wichtig, dass die Bilder sowohl einzeln, aber auch in der Komposition aussagekräftig sind“, führt Anke in die Ausstellung ein. Unser Gespräch begleitet den Rundgang.
Eine Frage vorab. Ich habe gelesen, dass du nach deinem Studium der Mediengestaltung insgesamt sechs Jahre mit Pieter Hugo zusammengearbeitet hast. War es vor diesem Hintergrund schwierig, eine eigene Bildsprache zu finden?
Anke: Das ist es, glaube ich immer. Für jeden Künstler. Bei mir war es so, dass zunächst einmal die Perfektionierung der fotografischen Techniken im Vordergrund stand. Der Umgang mit Licht, die Komposition, und so weiter. Pieter hat mich aber sehr früh auch dahingehend gefördert, meine Bilder nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich kritisch zu hinterfragen. Also eine Bildsprache in dem Sinne zu finden, dass ich etwas Eigenes entwickle. Ein sehr schwieriger Prozess! Aber genau diese Auseinandersetzung zeichne ich hier auf drei Ausstellungsebenen nach, sodass sich die Frage vielleicht abschließend besser beantworten lässt.
Installationsansichten
Neugierig schaue ich mir die Bilder in der unteren Ebene im Einzelnen an. Mein persönlicher Eyecatcher ist ein großformatiges Schwarzweiß-Ganzkörperporträt einer von einem hauchdünnen Schleier verhüllten weiblich anmutenden Silhouette vor einem Wolkenhimmel. Einerseits scheint sie, bedingt durch die Untersicht der Kamera, in den Himmel hineinzuwachsen, andererseits deutet aber ihre Körperhaltung auf einen Moment von Unsicherheit hin. Umgeben ist das Porträt von Stillleben unterschiedlichster Motivwahl. Zu sehen sind das Arrangement kleiner, gleichartiger Insekten, die auf weißem Grund ein feines diagonales Muster bilden; zwei leblose Vögel, geradezu surreal in der Vertikalen nebeneinander ausgestreckt; der Ozean, der in einem Augenblick ruhigster Dünung mit dem Horizont zu verschmelzen scheint; eine Vintage-Puppe sowie ein Blumenstillleben. Die klassische Aussage des Stilllebens im Sinne des Memento mori scheint nicht im Fokus zu stehen. Ich frage nach.
v.l.n.r.: Space in between, Cape Town 2018; Two birds one stone, New York 2018; View from heaven, Cape Town 2016; Mannequin, New York 2018; Sunned Flowers, Cape Town 2017
Anke: Das ist richtig. Die Bilder verkörpern zwar eine Form von Vergänglichkeit, aber nicht mit der Ausrichtung des Memento mori. Ich habe vielmehr grundsätzliche Fragen der Fotografie mit philosophischen Fragen in Beziehung gesetzt, habe die Stille des Stilllebens im Sinne von Harmonie und Balance interpretiert.
Das klingt sehr anspruchsvoll. War diese Idee von Beginn an von dir so definiert?
Anke: Leider nein. Wie eben schon gesagt, es war ein schwieriger Prozess. Es fing damit an, dass ich irgendwann realisierte, sowohl während des Fotografierens als auch bei der Sichtung der Bilder von dem Gedanken des perfekten Bildes getrieben zu sein. Doch was war das perfekte Bild? Komponierte Schönheit oder der Versuch einen Moment einzufangen, der verloren zu gehen drohte? Auf der Suche nach Antworten wurde mir dann bewusst, dass in beiden Varianten der Wunsch nach Kontrolle und Angst vor der Realität enthalten war – also die klassischen Krisen des Lebens. Diese Erkenntnis war der erste wichtige Schritt zu mir selbst und letztlich auch der Weg zur Entwicklung einer eigenen Bildsprache. Ich arbeitete daran, Ängste und die negativen Seiten des Lebens als natürlich und unabdingbar zu akzeptieren. Das perfekte Bild hatte für mich deshalb irgendwann nicht weiter Schönheit im typischen Sinne abzubilden, sondern Balance und Harmonie zu visualisieren. Insgesamt ein Prozess der inneren Befreiung.
Beispielsweise habe ich hier [s. Abbildungen] Bildergruppen komponiert, in denen sich Maskulines und Feminines zu erkennen gibt. Zwei Seiten, die ich früher in mir als etwas sich Bekämpfendes wahrgenommen, aber mittlerweile als Polarität, als Teil von mir akzeptiert habe.
Gruppe 1 links, v.u.n.o.: In the morning, Rome 2016; Still reeds, Cape Town 2017; Jardin Majorelle, Marrakesch 2017; A friend on my couch, Cape Town 2018 _ Gruppe 2 rechts, v.u.n.o.: At his home; Cape Town 2019; Falling, Cape Town 2016; Bird catcher, Marrakesch 2017; I waited but nothing happened, Cape Town 2018
Auch mit den Porträts zeichne ich meinen Wandlungsprozess symbolisch nach. In der unteren Ebene ist es noch ein Schleier, der eine anonyme Person verhüllt und Stillstand. Oben zeige ich dann mich. Zunächst meine nackte Rückenansicht – als Zeichen des Übergangs – in einer Bewegung ins Wasser hinein, bevor ich schließlich im jüngsten Porträt dem Betrachter mein Gesicht zuwende.
v.l.n.r.: The light is not inviting us in Cape Town, 2019; Self portrait in water, Cape Town 2019; Self portrait as blur, Cape Town 2019
Und warum die Unschärfe?
Anke: Ich möchte hiermit das vermeintlich fotografisch Perfekte unterwandern, Leichtigkeit visualisieren und auch das Prozesshafte des immer weiter andauernden eigenen Entwicklungsprozesses zum Ausdruck bringen.
Definitiv keine zufällige Auswahl schöner Bilder, denke ich zum Schluss. Nach diesem besonderen Rundgang gibt sich die Ausstellung als eine methodische Reise zu erkennen – als die persönliche, meditative Reise von Anke Loots, mit der sie gleichzeitig ihre künstlerische Positionierung nachzeichnet. Es ist ihr Blick auf sich selbst und die sie umgebende Welt, die allen Bildern etwas Natürliches, nicht zwanghaft Komponiertes verleiht.
Harmonie, Balance und Klarheit als eine Bildsprache, die im Einklang mit der natürlichen Persönlichkeit der Künstlerin steht. Der Ausstellungstitel trifft den Kern: Everything in its right place . . .
Weitere Informationen
… über die Künstlerin:
https://www.thkgallery.com/anke-loots
https://www.instagram.com/ankeloots/?hl=de
… über die Galerie: