Fotos: Carsten Sander
Wien, 3. Bezirk, Palais Rasumofsky. Auf einer Fläche von insgesamt 7.000 Quadratmetern befinden sich das Privatmuseum sowie die Wohnräume des Sammlerpaares Adrian Riklin und Antonis (Toni) Stachel. Das 1806 für den russischen Fürsten Andrei Kirillowitsch Rasumofsky, Gesandter am Wiener Kongress, gebaute Gebäude, war 2009 in einem stark renovierungsbedürftigen Zustand von Adrian Riklin gekauft und von Baar-Baarenfels Architekten unter sensibelster Berücksichtigung denkmalpflegerischer Auflagen für die heutige Nutzung umgebaut worden.
Der herrschaftliche Geist des 19. Jahrhunderts scheint aber nach wie vor präsent zu sein. Sobald man das Palais betritt, macht sich reflexartig ein innerer Drang nach einer aufrechten Körperhaltung bemerkbar. Imposant der erste Eindruck! Sehr ungewöhnlich und für die damalige Zeit sehr fortschrittlich, befinden sich die Prunkräume nicht in der Beletage, sondern im Erdgeschoss. Und genau inmitten dieser Prunkräume empfangen den Besucher heute zeitgenössische Kunst und Design. Hier werden künstlerische Positionen der Sammlung Sanziany präsentiert, die über einen Zeitraum von nahezu 30 Jahren auf 2.400 Exponate österreichischer wie internationaler Künstler herangewachsen ist. Gelenkt wird die Sammelleidenschaft von einer zentralen Leitidee – der Intuition.
Ungewöhnlich ist deshalb die Zusammenstellung der Exponate in den jeweiligen Räumen. Weder eine kunsthistorische noch eine strukturierte themenbezogene Ordnung, sondern vielmehr eine starke ästhetische Komponente scheint die jeweiligen Arbeiten miteinander zu verbinden. Bei einer Führung durch den Museumstrakt erzählt Adrian Riklin über die Hintergründe dieser außergewöhnlichen Präsentationsform.
Riklin: Für uns gab es nie ein Sammlungskonzept und somit auch kein Konzept für die Präsentation der Arbeiten. Alles geschieht extrem aus dem Bauch heraus. Uns ist ein unkonventioneller, vor allem humorvoller Zugang zur Kunst wichtig. Deshalb sammeln wir Kunst, die uns etwas erzählt, die uns berührt. Und genau so wird auch präsentiert. Uns ist wichtig zu zeigen, dass wir Spaß an der Kunst haben. Sie soll nichts Sakrales, in Ehrfurcht Erstarrendes umwehen. Ein Gespräch mit Jeff Koons hat uns sehr stark geprägt. Er sagte: „Ein Kunstwerk entsteht im Auge des Betrachters“, und erweiterte diese Aussage mit „Die Kunst entsteht im Auge des Betrachters“. Und genau das empfinden wir, wenn wir Arbeiten unterschiedlichster Künstler miteinander kombinieren und plötzlich spüren, dass über die Kombination all dieser Arbeiten ein neues Kunstwerk entstanden ist.
Werden Sie beim Kauf beraten oder bei der Hängung durch Kuratoren unterstützt?
Riklin: Nein. Wir machen alles allein. Toni hat ein unglaubliches Talent, was die Entdeckung neuer Künstler und auch die Hängung angeht.
Wie oft werden die Räume geändert?
Riklin: Da wir unsere Kunstwerke gern sehen möchten und nur 15 bis 20 Prozent ausstellen können, werden ca. 50 Prozent der Räume im Jahr neu zusammengestellt. Die Neukonzeption eines Raumes ist hierbei immer wieder eine Herausforderung. Es passiert nicht selten, dass wir bis zu dreimal alles umhängen, bis sich irgendwann alles wie selbstverständlich zusammenzufügen scheint.
Apropos ausstellen. Ihre Sammlung ist erst seit sechs Jahren öffentlich zugänglich, nach Vereinbarung. Warum haben Sie sich dazu entschieden? Aus einer Verpflichtung den Künstlern gegenüber?
Riklin: Nein. Auch das war nicht so hoch angesetzt. Das hing schlichtweg mit dem Umzug ins Palais und der extremen Vergrößerung der Ausstellungsfläche zusammen. Die Jahre zuvor haben wir immer Räume anmieten müssen, um für uns Ausstellungen kreieren zu können. Hier wäre eine Öffnung in der Form, wie wir sie heute anbieten können, gar nicht möglich gewesen.
Wo kaufen Sie Ihre Kunstwerke? Wo entdecken Sie neue Künstler?
Riklin: Das ist ganz unterschiedlich. Zum einen über den Besuch von Ausstellungen und Messen, zum anderen aber auch über regelmäßige Besuche der hiesigen Kunstakademie. Bei den Messebesuchen ist es mir wichtig, nicht nur meine Stammgalerien abzulaufen, deren Programm ich ja kenne, sondern bewusst nach neuen Galerie-Programmen Ausschau zu halten.
Ist es verführerisch, wenn man so viele Künstler persönlich kennt, direkt im Atelier zu kaufen?
Riklin: Nein. Sobald wir wissen, dass ein Künstler durch eine Galerie vertreten wird, machen wir das grundsätzlich nicht. Und das hat auch ganz einfach etwas mit der Qualität zu tun. Der Galerist hat üblicherweise die besten Arbeiten für sich ausgewählt. Warum sollten wir die im Atelier verbliebene zweite Wahl kaufen? Anders verhält es sich natürlich bei Künstlern, die noch nicht bei einer Galerie vertreten sind. Hier kaufen wir dann auch direkt im Atelier.
Sie betonen immer wieder, dass Ihre Kaufentscheidungen nicht durch Investitionsgedanken bestimmt werden und für Sie deshalb die sogenannten Global Artists keine besondere Rolle spielen. Dennoch finden sich in Ihrer Sammlung Arbeiten von Künstlern wie Erwin Wurm, Alfred Hrdlicka, Keith Haring oder Thomas Ruff. Nicht unbedingt unbekannte Namen.
Riklin: Ja. Das ist richtig. Aber wir haben ihre Arbeiten in einer Zeit erworben, als ihr Marktwert noch deutlich unter dem heutigen lag. Und auch hier waren rein intuitive Kriterien entscheidend. Das erfüllt uns umso mehr mit Stolz.
Eine Frage zur Videokunst, die hier auch häufig zu sehen ist. Es fällt auf, dass Sie diese – abgesehen von dem speziell für die Arbeit Starie Novostie von Anastasia Khoroshilova konzipierten Raum – einfach über Fernseher präsentieren. Warum haben Sie sich hierzu entschieden?
Riklin: Auch wenn es vielleicht für dieses Medium nicht die optimale Präsentationsform darstellt, haben wir festgestellt, hiermit mehr Menschen erreichen und zur Auseinandersetzung mit Videokunst herausfordern zu können. Im Gegensatz zu unserem sonstigen Ansatz, stellen wir verschiedene Arbeiten thematisch zusammen und lassen diese hintereinander ablaufen. Um den thematischen Kern erfassen zu können, muss daher weder jede Arbeit bis zum Ende angeschaut noch der typische dunkle, ausschließlich der Videokunst vorbehaltene Raum betreten werden, der vielen einfach Unbehagen bereitet.
Wie ist es inmitten seines eigenen Privatmuseums zu wohnen? Schlendert man morgens im Bademantel mit der Tasse Kaffee in der Hand durch die eigenen Hallen?
Riklin: Ich bin kein Bademantel-Typ. Nein, Quatsch (lacht). Ich halte mich in erster Linie in meiner Wohnung auf, die natürlich auch mit reichlich Kunst bestückt ist. Das Museum betrete ich, wenn ich Ideen für mögliche Raumkonzeptionen vor Ort durchspielen möchte oder letztlich auch realisiere. Wir gehen so oft mit Freunden und Besuchern durch das Museum, dass ich nicht das Bedürfnis verspüre, darüber hinaus noch allein durchwandern zu müssen.
Ihre Privaträume befinden sich im Mitteltrakt des Gebäudekomplexes. Hier durfte umbautechnisch sehr viel stärker eingegriffen werden, als in den übrigen Gebäudeteilen. Warum?
Riklin: Der ursprüngliche Mittelteil ist in der Neujahrsnacht 1815 komplett niedergebrannt. Die kostbare Kunst- und Bildersammlung und hiermit das Vermögen des Fürsten waren verloren gegangen und hatten einen sehr viel bescheideneren Wiederaufbau nach sich gezogen. Der Zweite Weltkrieg hatte dann wiederum diesen Wiederaufbau zu zwei Drittel zerstört. Weil dessen Instandsetzung nicht nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten erfolgt war, waren die Auflagen für uns niedrig und wir hatten diesen gestalterischen Handlungsspielraum. Unser Ziel war es etwas Angepasstes, aber gleichzeitig Ultramodernes und das am Limit der Baubarkeit zu entwickeln. Hierzu gehört beispielsweise die organisch geformte Treppe aus Beton, die statisch nur über die Computerberechnungen spezieller 3D-Programme meiner Firma (Alcar Wheels – E.B.) realisiert werden konnte.
Es folgt eine Führung durch den Privatbereich. Angefangen in der Tiefgarage mit angrenzendem Spa, vorbei am hauseigenen Depot und dann hinauf mit dem gläsernen Aufzug in das Penthouse. Imposant ist erneut das einzige Wort, das mir in den Sinn kommt. Hier stimmt einfach alles. Die Architektur ist schlichtweg grandios. Die Wohnung selbst von erlesenem Geschmack eingerichtet. Kunst, Design und Mobiliar bilden eine Einheit. Selbst der Blumenschmuck ist penibel auf den übrigen Raum abgestimmt. Nichts hier ist zufällig, alles ist arrangiert. Den krönenden Abschluss bildet schließlich der Blick von der Dachterrasse über die Stadt Wien.
Unverkennbar setzt sich die konzeptionelle Linie des Museums auch in den Privaträumen fort. Fern jeder konventionellen Ordnung folgten Adrian Riklin und Toni Stachel auch hier ihrer Intuition und lassen vormals unzusammenhängende Objekte auf individuelle Art und Weise eine Einheit bilden. Offensichtlich ist es genau diese besondere Intuition, die sowohl dem Palais als auch der Sammlung ihre besondere Persönlichkeit verleiht.
Öffentliche Besichtigungstermine werden leider derzeit nicht mehr angeboten (Stand November 2022).