Text: Dr. Elke Backes, Fotos: Marina Kiga
Poppig schillernd oder auch futuristisch, geradezu kosmisch postet Sophie Ramirez, Künstlername SOFF, auf den Fotos ihres knallbunten Instagram-Feeds. Begegnet man der Studentin der Kunstakademie Düsseldorf privat, ist man überrascht. Ihr außergewöhnliches Styling ist nicht einfach ein Mittel ihrer Inszenierungen, sondern Ausdruck ihrer Persönlichkeit. Makeup, Kleidung – alles ist laut, sticht heraus aus dem, was üblicherweise als „normal“ bezeichnet wird. SOFF lebt diesen Style. Mutig und beeindruckend selbstbewusst! Aber, was genau ist eigentlich ihre Kunst? Ist SOFF nicht in den eher oberflächlichen Bereich der Popkultur einzuordnen oder schlichtweg ein gutes Model?
Ich möchte es wissen und besuche sie in ihrem Wohnatelier. Nach nerviger Parkplatzsuche noch nicht wieder resettet, drücke ich den Klingelknopf und werde unmittelbar hineingesogen in den SOFF-Kosmos. Die Tür wird weit aufgerissen, überschwänglich werde ich begrüßt, und schon bin ich inmitten einer Welt ganz anderer Art: einer Mischung aus Villa Kunterbunt, Barbie‘s Home und World of Warcraft. Jeder Winkel ist individuell und liebevoll gestaltet. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinschauen soll, während SOFF Kaffee zubereitet. Bei aller Skurrilität des Interieurs wirkt alles überraschend strukturiert und aufgeräumt. Nichts sieht nach work in progress aus.
„Aber du arbeitest doch überwiegend hier und nicht in der Akademie, oder“, lautet deshalb meine erste Frage.
SOFF: Ja. Hier kreiere ich meine Outfits, Kulissen und Ideen für das, was dann im urbanen Raum oder wo auch immer umgesetzt wird.
SOFFs Kosmos.
E.B.: … und im Ergebnis Fotografien, Filme oder Performances entstehen lässt?
SOFF: Fotografien und Filme ja, Performances nein. Ich bin einfach präsent. Bei einer Performance würde ich mich von meinem natürlichen Verhalten unterscheiden. Und das mache ich ja nicht. Ich bin immer Teil des Kontextes, in dem ich mich bewege.
E.B.: Wann entscheidest du dich für welche Inszenierung? Schaut man sich deine Website Soffsmultiverse an, bekommt man den Eindruck, du seist die Protagonistin eines Computerspiels. Schaut man sich deinen Instagram-Feed an, erscheinst du wie die Influencerin deiner eigenen Modekollektion.
Unten: Screenshot aus Website Soffsmultiverse, oben: Screenshot des Instagram-Feeds.
SOFF: Mit meinen Kunstprojekten bewege ich mich genau in dieser Schnittstelle. Also zwischen Kunst, Design, digitaler und virtueller Welt. Wir leben in einer Zeit, die alles immer stärker miteinander verschmelzen lässt. Was ist der Unterschied zwischen dem Avatar, den man als eigene Spielfigur in der Gaming-Welt kreiert und dem Profil, das man sich durch die Art der eigenen Inszenierung in den sozialen Netzwerken schafft? In beiden Fällen werden Wunschidentitäten angelegt, die von Bildern der digitalen, virtuellen und physisch realen Welt inspiriert sind. Warum die Freiheit und Ästhetik der digitalen und virtuellen Welt nicht in das Hier und Jetzt übertragen? Konkret gesagt: Unsere Handlungsmuster verändern sich mit der Zeit und in verschiedenen Dimensionen, unsere Wahrnehmungsmuster aber nicht. Das Bewusstsein dafür muss geschaffen werden, damit eine Entwicklung stattfinden kann.
SOFF zwischen Kunst, Design, digitaler und virtueller Welt.
E.B.: Also möchtest du mit deinen Inszenierungen und deiner Präsenz Irritationen provozieren, die zu dieser Auseinandersetzung herausfordern und damit eine Entwicklung vorantreiben?
SOFF: Ja genau. Und das mache ich, indem ich, vergleichbar mit einem wissenschaftlichen Versuchsaufbau, eine Situation kreiere, damit hinaus in die Welt gehe und schaue, was passiert. Dann gehe ich zurück, verarbeite, was passiert ist, und gebe diesen Erfahrungswerten eine Struktur in Form von künstlerischen Arbeiten. Alles in allem geht es mir um die selbstreflexive Erforschung des absurden Phänomens Mensch.
E.B.: Das klingt nach einer großen Mission. Demnach bist du dein eigenes Forschungsobjekt, das in diesem Perspektivwechsel neue Erkenntnisse entstehen lässt?
SOFF: Exakt. Es ist immer ein Mix aus Selbsterfahrung und Betrachter-Reaktion, der eine neue Handlung anstößt und neue Bilder entstehen lässt. Auch hier gibt es einen Link zum Akteur eines Computerspiels. Er reagiert mit seinem Avatar nonstop auf das Spielgeschehen, sieht sich dabei aber immer aus der Kameraperspektive.
E.B.: Die Idee der selbstreflexiven Erforschung ist ja vermutlich erst mit dem Beginn deines Studiums entstanden. Wesentliche Voraussetzung deiner Versuchsreihen sind deine spektakulären Outfits. Ab wann oder wodurch beeinflusst hast du begonnen, deine eigene Kleidung zu kreieren?
SOFF at work.
SOFF: Schon sehr früh. Bereits mit neun Jahren wollte ich nicht unreflektiert irgendeinem Normativ folgen. Ich fand es absurd, auf bunte Kleider zu verzichten, nur um cool zu sein. Ich habe immer Rollenspiele geliebt. Deshalb ist jedes neue Outfit wie das Hineindenken in eine neue Rolle, mit der ich dann eins werde. Klamotten sind für mich wie eine Erweiterung des Körpers und ebenso essentiell wie Essen [lacht].
E.B.: Und warum hast du dir die Haare rasiert? War das Teil eines Kunstprojekts oder auch eher persönlich motiviert?
SOFF: Wie gesagt, das lässt sich bei mir nicht wirklich trennen. Ich hing geradezu fanatisch an meinen langen Haaren und hatte schon Panik, wenn die Spitzen geschnitten werden mussten. Gleichzeitig fand ich den Gedanken, die Haare zu rasieren, sehr reizvoll. Tja, und dann hat sich mein Wikinger-Syndrom durchgesetzt. Immer wenn ich mir etwas nicht zutraue, muss ichs machen, um mir zu beweisen, dass ich über mich hinauswachsen kann. Den Weg zum endgültigen Cut habe ich in meinem Instagram-Account öffentlich gemacht, und entstanden ist anschließend die Hot Girl Summer Postcard Edition.
Hot Girl Summer Postcard Edition.
E.B.: Wie immer quietschbunt, auf den ersten Blick wie die typischen Urlaubs-Postings inszeniert und nicht als Kunst erkennbar. Ist das Teil deines grundsätzlichen Konzepts?
SOFF: Ich versuche immer die Frage offen zu halten, was künstlich und was echt ist; spiele gern mit Vorurteilen und Kontrasten zwischen Pop und Kunst oder Ironie und Ernst. Die Veränderungen unserer Gesellschaftsstrukturen erfordern neue Ordnungsbegriffe, die unserer heutigen Umwelt angepasst sind. Mit meinen Kunstprojekten möchte ich zeigen, dass wir uns als Individuen nicht der Kultur und dem Massenbetrieb anpassen müssen, sondern dem Leben. Das erscheint mir übergeordnet sinnvoll.
E.B.: Du bist bei aller Ernsthaftigkeit ein sehr fröhlicher Mensch. Die Ästhetik deiner Kunst macht gute Laune. Ist mit dieser Ästhetik auch eine Botschaft verbunden, die im Zusammenhang der digitalen und virtuellen Welt zu finden ist?
SOFF: Auf jeden Fall. Es gibt so fantastische Kulissen in der Gaming-Welt, die im Moment nur dazu genutzt werden, in diese andere Welt zu flüchten. Es steckt so viel Energie und kreative Entwicklung darin, die doch ebenso zur Gestaltung unserer physisch realen Welt eingesetzt werden könnte. Ich möchte zeigen, dass beides miteinander kombiniert werden kann. Deshalb bewege ich mich auch meist außerhalb des typischen Kunstrahmens und experimentiere gern im öffentlichen Raum. Dort werde ich anders wahrgenommen. Die Reaktionen sind spontaner. Es ist ein Austausch auf Augenhöhe, mit dem ich die Reaktionen auf mich am unmittelbarsten beobachten kann. Apropos: Ich hab‘ da mal was vorbereitet …
Gespannt harre ich der Dinge, die da kommen mögen und staune nicht wenig, als SOFF zwei neu kreierte Kleider hinter der Tür hervorholt.
SOFF: Ich dachte mir, dass eine gemeinsame Inszenierung als eine Art Selbstversuch für dich doch klasse wäre, um einen Life-Eindruck meiner Arbeit zu bekommen. Wir ziehen uns um, gehen zum Bahnhof und posen. Du wirst sehen, wie spannend es ist, die Reaktionen zu beobachten.
Gesagt, getan.
Anprobe vor der gemeinsamen Kunstaktion.
Die Reaktionen sind wirklich spannend. Es ist ein Mix aus vorhersehbar und überraschend. Handys werden gezückt, Selfies geschossen, Komplimente zugerufen, ein bisschen wird rumgeprollt, oder es wird einfach nur vorsichtig gefragt, was wir denn da machen. Interaktion pur und tatsächlich eine ungewöhnliche Form der Gesellschaftsstudie!
Gemeinsame Kunstaktion im öffentlichen Raum.
Die Frage, ob SOFFs Kunst eher in den Bereich der Popkultur einzuordnen oder sie einfach nur ein gutes Model ist, kann ich abschließend mit einem eindeutigen „Nein“ beantworten. Als Medium zwischen den Welten verkörpert sie im buchstäblichen Sinne ihre künstlerische Idee und ist mit klarer Botschaft unterwegs. Forschungsauftrag: Human Trans_Mission. Stay tuned! Hier ist etwas Großes am Start …
Weitere Informationen
Website Soffsmultiverse: https://soffsmultiverse.com/homepage/
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