Fotos: Natascha Romboy
Der Rundgang der Düsseldorfer Kunstakademie ist ein wahrer Publikumsmagnet. Jedes Jahr im Februar ergreifen an die 50.000 Besucher die Gelegenheit, einen Blick in die offenen Ateliers des altehrwürdigen Gebäudes werfen zu dürfen. Malerei, Baukunst, Fotografie, Bildhauerei, Video, Bühnenbild … in allen Fachbereichsklassen sind, über das gesamte Gebäude verteilt, die Ergebnisse des vergangenen Jahres sowie die aktuellen Abschlussarbeiten zu sehen.
Die Stimmung ist eine Besondere. Der Geruch von frischer Ölfarbe liegt in der Luft, Studenten laufen entweder aufgeregt oder extrem cool über die Flure. Chaotisches trifft auf Inszeniertes, Alternativ- auf Edel-Look, Freiheit auf Regelwerk, Ideologie auf Kunstmarkt.
Letzteres ist eine der weniger guten Folgen, die sich über die Öffnung für das Publikum entwickelt haben. Die Hoffnung, von einem Galeristen oder Sammler entdeckt zu werden, lässt manche kritische oder radikale Entwurfsidee erst gar nicht zur Ausführung kommen. Ein Widerspruch, der dem ursprünglichen Gedanken des Rundgangs entgegenwirkt, wie uns Karl-Heinz Petzinka, seit eineinhalb Jahren Rektor der Akademie, erzählt.
Professor Karl-Heinz Petzinka, Foto: Michael Brockerhoff
Petzinka: In alter Tradition handelt es sich beim Rundgang um eine interne Leistungsschau. Die Professoren schauen sich an, was das Jahr hervorgebracht hat und bewerten die präsentierten Arbeiten. Die Betonung liegt auf dem Wort intern. Mit Beginn unserer fast 250jährigen Geschichte, ist dieses Haus autark. Soll heißen – unabhängig von externen Meinungen oder modischen Strömungen: Wir tuen, was wir für richtig halten und nicht das, was man für richtig hält. Diesem Grundsatz folgen wir bis heute.
Impressionen zum Rundgang 2019, 1. Bild oben links: Fynn Ribbeck, 3. Bild oben von links: Hakan Eren
Vielleicht erzählen Sie uns ein bisschen über die Ursprünge?
Petzinka: Gern. Denn ich glaube, dass es auch die Aura der Geschichte ist, die unseren Rundgang so besonders macht.
Nichts Geringeres als die Liebe zur Malerei war es nämlich, die im Zeitalter des Barocks, Kurfürst Jan Wellem und seine Ehefrau Luisa von Medici erfasst hatte und auf Umwegen zur Akademiegründung führen sollte. Durch ihre Sammelleidenschaft war 1709 zunächst die berühmte Düsseldorfer Gemäldegalerie entstanden. Dorthin war 1756 auch der Maler und Kunstsammler Lambert Krahe zum Direktor berufen worden. Aus dessen sechs Jahre später gegründeten Zeichenschule entstand dann 1773 die Akademie und er wurde ihr erster Rektor. Es waren schließlich seine in Rom zusammengetragene, sehr hochkarätige Kunstsammlung sowie Schenkungen aus der Sammlung der Düsseldorfer Gemäldegalerie, denen es zu verdanken war, dass gelehrt werden konnte, was en vogue war. Die Werke waren der Akademie zu Studienzwecken zur Verfügung gestellt worden. Maler wurden geholt, um hier ihre Ateliers einzurichten und gemeinsam mit den Studenten zu malen. Die neu entstandenen Arbeiten wurden einmal im Jahr begutachtet.
Das war der Beginn des Rundgangs. Die Professoren wählten hierfür die besten Gemälde aus, die dann in der Aula, gemeinsam mit den aktuellen Neuerwerbungen, präsentiert wurden. Bis in die 1970er Jahre blieb der Grundsatz bestehen, die Öffentlichkeit von dem hiesigen Geschehen auszuschließen. Erst auf Initiative des damals jungen Studenten Jörg Immendorff führte der damalige Akademierektor Norbert Kricke Anfang der 1970er Jahre den Brauch des öffentlichen Rundgangs ein.
Ist es immer noch so, dass die Professoren auswählen, was präsentiert werden darf?
Petzinka: Njein. Grundsätzlich müssen alle Studenten präsentieren. Doch liegt die Entscheidungshoheit darüber, dennoch eine Auswahl zu treffen, bei den Professoren der jeweiligen Klassen. Darüber hinaus gibt es immer Studenten, die keiner dieser Klassen angehören. Auch diese Studenten bekommen die Gelegenheit zur Präsentation. Das sind dann die Arbeiten, die auf den Fluren zu sehen sind.
Kann man auch ohne einer Klasse anzugehören einen Abschluss machen?
Petzinka: Ja. Man bekommt dann wohl lediglich einen Akademiebrief und ist kein Meisterschüler, was für den weiteren Lebenslauf von Nachteil sein kann, aber nicht sein muss.
Wie stehen Sie dazu, dass die Studenten einen immer größeren Aufwand betreiben, um beim Rundgang entdeckt zu werden?
Petzinka: Das halte ich für einen riesigen Fehler. Die Studenten müssen vielmehr lernen, sich frei von diesen Zwängen zu machen. Ich propagiere unentwegt, dass sie nicht darauf achten sollen, was gefällt, sondern ihren Ideen folgen und ihre eigene Lebenslinie schmieden müssen. Sich dem Zwang des Marktes zu unterwerfen oder die Mechanismen des Marktes als eigene anzunehmen, ist fatal für die Kunst. Dann fehlt es an der Freiheit der Kunst, für die wir als Institution stehen und immer gestanden haben.
Gibt es dennoch für die Studenten Seminare, die sich auch dem Thema Karriereplanung annehmen?
Petzinka: Klar. Die gibt es. Das sind aber keine Seminare, die auf eine Anleitung zur eigenen Vermarktung ausgerichtet sind, sondern die über die Gegebenheiten des Kunstmarktes informieren. Die Studenten müssen erst einmal verstehen, wie die gesamten Mechanismen funktionieren, um dann selbst entscheiden zu können, wie sie damit umgehen.
In diesem Jahr findet erstmals in Kooperation mit dem Museum K21 eine Ausstellung der Akademie-Absolventen statt, die im letzten Jahr ihr Studium abgeschlossen haben. Es ist für das Museum das erste Mal, dass es sich in diesem Umfang für junge Künstlerinnen und Künstler öffnet. Auch die Akademie öffnet sich damit weiter in den Stadtraum.
Planet 58, Ausstellung der Akademie-Absolventen im Museum K21, Fotos: Achim Kukulies © Kunstsammlung NRW
Petzinka: Ja, das ist auch unsere Absicht. Wir wollen auf diese Weise in unserer Unabhängigkeit wahrgenommen werden und das Potenzial zeigen, das unsere Akademie hervorbringt. Die Möglichkeit in einem so hochkarätigen Museum wie dem K21 ausstellen zu dürfen, ist eine große Chance für unsere Studenten. Hiermit wird eine völlig andere Situation geschaffen, als sie bei uns vorzufinden ist. Wir sind Entstehungsort, hier wird produziert, was wir für richtig halten. Ob es gefällt oder nicht, interessiert uns nicht. Im Museum gibt es eine Ausstellungsidee. Die Arbeiten werden entsprechend nach dieser musealen Idee kuratiert und in Szene gesetzt. Es ist toll, dass in diesem Jahr erstmals diese beiden Pole gezeigt werden konnten. Das ist eine Form von Kunstförderung, die unseren Idealen entspricht …